In der Nacht vom 03.08.2022 auf den 04.08.20222 haben wir, ein militanter Zusammenhang, mithilfe verschiedener Methoden die Schienen von „Lhoist Germany Rheinkalk GmbH“ bei Wülfrath durch Sabotage verbogen und damit unbenutzbar gemacht. Dabei haben wir darauf geachtet, dass keine unbeteiligten Personen zu Schaden kommen. Wir haben uns dabei bewusst für militante Mittel entschieden, da wir denken, dass diese Aktionsformen in der Klimagerechtigkeitsbewegung wieder groß werden müssen. Als Ergänzung zu bestehenden Aktionsformen bieten sie uns eine Möglichkeit aus der stagnierenden politische Situation zu entkommen und sowohl den Konzernen, als auch in weiteren Schritten dem System Schaden zuzufügen. Mit der Sabotage der Schienen haben wir den größten Kalksteinbruch in Europa effektiv von seinem relevantesten Gütertransportweg abgeschnitten. Die beiden Hauptabnehmer des Kalkwerks sind die Milliardenkonzerne RWE und Thyssenkrupp.
Warum gerade dieses Ziel?
Der fossile Energiekonzern RWE betreibt im Rheinland mehrere Braunkohletagebaue (unter anderem den größten Braunkohletagebau Europas, den Tagebau Hambach). Doch das reicht ihm nicht: Trotz beschlossenem und längst überfälligem Kohleausstieg ist er dabei, das Dorf Lützerath beim Tagebau Garzweiler 2 zu enteignen, um diesen noch weiter zu expandieren. Für den Betrieb der Tagebaue und der Kraftwerke werden enorme Mengen Kalk benötigt. Der Kalk wird für gesetzlich vorgeschriebene Aufbereitungsprozesse benötigt, ohne die die Produktion eingestellt werden muss.
Auf politischer Ebene lobbyiert RWE seit Jahrzehnten gegen eine effektive Klimapolitik. Das Unternehmen beteiligte sich sogar an der Formulierung von Energiegesetzen, selbstverständlich zugunsten des eigenen Profites. Der Übergang zur parlamentrisch gewählten Politik ist dabei fließend: So wechselte der ehemalige Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement, unmittelbar nach Ende seiner Amtszeit, in der er besonders durch kohlefreundliche Politik auffiel, in den Aufsichtsrat von RWE.
Seit der Konzern im Zuge der sich erhitzenden Debatte um die Klimakrise immer mehr in Erklärungsnot gerät, versucht er seit ca. 2011 sein Image aufzupolieren und sich als Klimaretter aufzuspielen. Dies erscheint angesichts der Geschichte von RWEs Lobbyarbeit besonders zynisch (1).
Den nun langfristig unvermeidbaren Umstieg auf erneuerbare Energien soll RWE reich vergütet bekommen: 2,6 Mrd. € Kompensationszahlungen sind angedacht. Wie es um die von RWE beteuerten Bemühungen um mehr Klimaschutz aussieht, sobald diese „Kompensationszahlungen“ wegfallen, sieht man am Beispiel der Niederlanden: Dort hat RWE erst vor einem Jahr gegen den geplanten Kohleaustieg geklagt (2), ermöglichst durch den Energiecharta-Vertrag.
All dies ist von der immer weiter erstarkenden Klimagerechtigkeitsbewegung nicht unbemerkt geblieben: Seit 2015 blockiert Ende Gelände regelmäßig RWE Infrastruktur und in den bedrohten Dörfern regt sich immer mehr Widerstand, Lützerath ist vollständig besetzt und bereitet sich darauf vor, die Zerstörung zu verhindern. Auch FFF und verschiedene NGOs thematisieren RWE und seine Rolle immer stärker.
Weniger Gegenwind bekommt der Zweite Abnehmer der von uns sabotierten Kalklieferungen: Thyssenkrupp. Die Umtriebe dieses Konzerns sind dabei allerdings nicht weniger brisant: Da steht zum einen die, bei deutschen Konzernen fast schon obligatorische, zweifelhaft aufgearbeitete nationalsozialistische Vergangenheit. Sie ging einher mit einer Festigung der Wirtschaftsmacht, Zwangsarbeiter*innen und direkter finanziellen Unterstützung der NSDAP (3). Desweiteren ist der Konzern durch Verwicklung in Menschenrechtsverletzungen wie Zwangsumsiedlungen zahlreicher Familien in Mosambik aufgefallen. Und nicht zuletzt ist Thyssenkrupp einer der größten (und ein oft vergessenen) Rüstungsproduzenten. Thyssenkrupp verdient somit genau wie Rheinmetall & Co. massiv Geld an Kriegen und profitiert von dem geplanten Sondervermögen für Aufrüstung, indem sie unter anderem mit ihrem Tochterunterehmen „Thyssenkrupp Marine Systems“ U-Boote und anderes militärisches Gerät für die Bundeswehr / NATO herstellen sollen. Auch das Erdogan-Regime, das derzeit Kurdistan angreift, ist ein guter Kunde dieses Tochterunternehmens.
Warum wählen wir militante Mittel?
Krisen und Kriege sind im Kapitalismus keine Unfälle. Sie sind logische Konsequenzen seiner Gesetzmäßigkeiten und Teil seines „Normalbetriebs“ (4). Der einzige Ausweg aus diesem Teufelskreis der Zerstörung ist somit die Überwindung dieses Wirtschafts- und Gesellschaftssystems.
Die akute, existenzielle Gefahr für alle, die durch die rasant voranschreitende Klimakrise sowie durch globale Aufrüstung, fortwährende Kriege wie im Jemen, in Kurdistan und in der Ukraine – mit immer realistischerem Eskalationspotenzial in einem Welt- bzw. Atomkrieg zu enden – sind für uns alle sichtbar. Aus der zusätzlichen Erkenntnis, dass die Herrschenden diese Probleme weder lösen können noch wollen, folgt, dass wir im hier und jetzt tätig werden müssen. Auch wenn wir wissen, dass nur eine postkapitalistische Gesellschaft die Entstehung von Krieg und Krise langfristig verhindern werden, wollen wir schon jetzt durch militante Aktionen intervenieren, denn so wollen wir die Kampffelder einer radikalen antagonistischen Linken bedienen. Diese sind zum Einen die Schaffung eines revolutionären Bewusstseins, um den Grundstein für eine andere Gesellschaft zu legen.
Zum Anderen ist es die Sabotage der Zerstörung unserer Welt, um überhaupt eine materielle Grundlage für diese andere Gesellschaft zu behalten. Damit Aktionen wie die unsere aber nicht nur Tropfen auf einen immer heißer werdenden Stein sind, braucht es eine ganz andere Skalierung und Eskalation.
Unsere militante Aktion soll sich antagonistisch zur bestehenden Ordnung verhalten und versuchen die herrschende Logik aufzubrechen, indem sie sich nicht von dieser einhegen lässt.
Hiermit beziehen wir uns auch auf das Mitte Juni veröffentlichte Paper, dass durch Teile der Bewegung ging (5) und das für mehr Militanz in zukünftigen Aktionen geworben hat. Dabei sind wir ein Zusammenhang, der selbst dabei ist, sich erste Erfahrungen in militanten Aktionsformen anzueignen und definitiv kein Expert*innenwissen hat. Diese Aktion war für uns ein erstes Ausprobieren, wobei im Fokus steht auch andere zu animieren Schritte in diese Richtung zu gehen.
Mit Freunde verweisen wir auch auf das gelungene Beispiel der Genoss*innen aus der Lausitz, die mithilfe einer Hakenkralle die Oberleitung der LEAG sabotiert haben (6).
Wir fordern daher den Rest der radikalen Linken und der Klimagerechtigkeitsbewegung zur Nachahmnung auf! Egal ob in größer werdenden Kleingruppenaktionen oder in Massenaktionen, zum Beispiel diese Woche bei Ende Gelände in Hamburg: Lasst uns aus unseren etablierten, oft zahnlosen Protestformen ausbrechen und Neues sowie Vergessenes wagen und uns der Zerstörung in den Weg stellen! Lasst uns die von uns gewählten Mittel immer kritisch prüfen und in den Austausch miteinander gehen! Lasst uns in Zeiten von Krieg, Krise und Zerstörung das richtige, das Notwendige tun!
Quellen / Weiterer Lesestoff:
(1): https://lobbypedia.de/wiki/RWE
(2): https://www.energiezukunft.eu/wirtschaft/rwe-klagt-gegen-kohleausstieg/
(3): http://www.verbrechen-der-wirtschaft.de/texte/0100_thyssen.htm
(4): https://www.rosalux.de/publikation/id/897/kapitalismus-krise-und-krieg/